Eine Lebensreise in Worten – ein Auszug aus einer Trauerrede

Liebe Anwesende,

wir stehen heute hier – nicht vor einem Namen auf einem Grabstein, nicht vor einer versammelten Familie, sondern vor einem Menschenleben, das geendet hat. Still. Ohne Pomp. Ohne großes Publikum.

Und doch verdient es einen Moment des Innehaltens.

Der Mensch, um den es heute geht, war keiner, der sich der Welt leicht gemacht hat. Und die Welt hat es ihm wohl auch nicht immer leicht gemacht. Er war, was man einen Eigenbrötler nennt. Jemand, der für sich blieb. Der Nähe nur dosiert zuließ. Jemand, der schwer zugänglich war – aber nicht gefühllos. Der sich rar machte – und doch nie ganz verschwand.

Manche Menschen bauen um sich Mauern, nicht weil sie nichts fühlen, sondern weil sie fühlen – und sich nicht sicher sind, ob es die Welt gut mit ihnen meint.

[Musikstück 1 – z. B. „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt]

Es gibt keine langen Anekdoten, keine endlosen Reden über ein erfülltes Familienleben. Und doch gibt es Spuren.

Jedes Jahr zur gleichen Zeit – eine handgeschriebene Karte. Weihnachten. Ein kleiner Gruß, manchmal mit Pralinen, niemals laut, niemals pathetisch. Nur ein leiser Beweis: Ich denke an euch. Ich gehöre – irgendwie – noch dazu.

Wer diese Zeichen lesen konnte, spürte: Da war ein Herz. Zwar gut versteckt. Aber warm. Da war kein großer Redner, kein Menschenfänger, kein Held. Aber da war jemand, der es besser gemeint hat, als er es zeigen konnte.

[Musikstück 2 – z. B. „An den Mond“ von Franz Schubert]

Vielleicht war sein Leben nicht laut, nicht öffentlich, nicht im Mittelpunkt. Aber es war wirklich. Es war einzigartig. Mit Ecken und Kanten. Mit Schatten und wenigen, aber echten Lichtblicken.

Man kann es bedauern, dass er niemanden mehr wirklich an sich herangelassen hat. Oder man kann es akzeptieren – als Teil seiner Art, mit dem Leben umzugehen. Manche Menschen bauen nicht viele Brücken. Aber sie hinterlassen doch Fußspuren – auf Postkarten, in alten Schubladen, in kurzen Gesten, die zeigen: Ich bin noch da.

[Musikstück 3 – z. B. „In the End“ (Instrumentalversion) von Snow Patrol oder Linkin Park]

Und nun ist er gegangen. Ohne Abschied, ohne große Worte. Aber nicht ohne Würde.

Heute sagen wir nicht: „Wir kannten ihn gut.“ Aber wir sagen: „Er war da.“ Und das reicht.

Denn jedes Leben verdient es, gesehen zu werden. Auch – und vielleicht gerade – die leisen.

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