Warum ich Trauerredner geworden bin
Ein Text von Kevin Zude
Ich bin kein Mensch, der sich gerne in den Vordergrund stellt. Ich höre lieber zu. Ich schaue hin, wenn andere weggucken. Ich frage nach den stillen Dingen, nach den kleinen Gesten, nach dem, was zwischen den Zeilen geschieht. Und vielleicht war genau das der Anfang – lange bevor ich wusste, dass es diesen Beruf überhaupt gibt.
Vom Bestatter zum Redner – und beides mit Herz
Als Bestatter durfte ich viele Menschen begleiten – nicht nur in der Organisation eines Abschieds, sondern im Zuhören, im Aushalten, im Da-Sein. Dieser Beruf ist mehr als ein Beruf: Er ist eine Haltung. Und ich liebe, was ich tue.
Mich berührt es zutiefst, wenn ich in schweren Momenten Halt geben kann. Wenn Angehörige sich verstanden fühlen. Wenn aus Sprachlosigkeit Vertrauen entsteht. Ich wollte mehr tun als nur begleiten – ich wollte Worte finden für das, was bleibt. Worte, die Menschen wieder näherbringen. Worte, die erinnern.
Ich glaube an Geschichten, nicht an Steckbriefe
Ich will keine Reden schreiben, in denen Namen und Daten ausgetauscht werden wie Bausteine. Ich will Geschichten hören – und weitergeben. Ich will, dass Menschen sich erinnern: an den Lieblingsspruch, an das verschmitzte Lachen, an den Geruch von frischem Kaffee, den er immer so mochte.
Für mich ist eine gute Rede keine Nacherzählung, sondern ein Wiedererleben. Ein leiser Raum für all das, was diesen Menschen ausgemacht hat. Und ich glaube fest daran: Erst wenn niemand mehr erzählt, ist jemand wirklich gegangen. Daran möchte ich arbeiten – dass niemand vergessen wird.
Ich höre wirklich gerne zu – weil Zuhören verbindet
Wenn ich mit Angehörigen spreche, habe ich keine Checkliste im Kopf. Ich bin einfach da. Mit offenen Ohren, mit offenem Herzen. Und ich merke oft: Es geht gar nicht darum, alles zu wissen. Es geht darum, das Wesentliche zu fühlen.
Manchmal kommt der wichtigste Satz ganz nebenbei. In einem Nebensatz. In einem tiefen Seufzer. In der Art, wie jemand innehält. Genau dort entsteht die Rede. Und genau dort beginnt auch das Erinnern.
Warum ich weitermache
Weil ich glaube, dass jede Geschichte eine Stimme verdient. Weil ich weiß, wie sehr Worte tragen können, wenn sie echt sind. Und weil ich nie möchte, dass jemand nur eine Rede bekommt – sondern einen Abschied, der bleibt.
Zwischen den Zeilen beginnt das Erinnern.
Und ich bin hier, um genau dort hinzuhören – für dich, für euch, für den Menschen, der gegangen ist.